Das Prisma ist ein wunderbares Anschauungsobjekt für unsere Meditationen über die Einheit des Seins. Auch wenn jedes Kind schon damit hantiert hat, will ich doch beschreiben was an diesem Phänomen das Besondere und das ins Allgemeine Übertragbare ist.
Wir habe eine möglichst gezielte Lichtquelle, einen Lichtstrahl den wir schräg auf das Prisma fallen lassen. Grob gesprochen ist das Prisma ein Glaskörper mit einem Dreieck als Grundfläche. Durch die Materialität des Glases kann das Licht zwar durch das Prisma hindurchleuchten, es wird aber auf zauberhafte Weise gebrochen, nicht nur in der Richtung sondern auch in sich selbst, wodurch ein Farbfächer auf der anderen Seite des Prismas entsteht. Das weiße Licht ist die Summe aller Wellenfrequenzen, die für unser Auge sichtbar sind. Indem ein Lichtstahl diesen Körper passiert fächert sich das Licht in seine verschiedenen Frequenzen auf, die wir als unterschiedliche Farben auf der Austrittseite wahrnehmen.
„Durch den schrägen (jedenfalls nicht senkrechten) Einfall und den von der Wellenlänge abhängigen Brechungsindex wird der einfallende Lichtstrahl je nach Wellenlänge mit einem anderen Winkel in das Prisma gebrochen.“ (Zitat Wikipedia)
Deuten wir also dieses interessante Phänomen als Metapher, in dem sich etwas Prinzipielles zeigt. Das Licht ist die Quelle der Schöpfung. Im Anfang, hieß es, „Es werde Licht.“ Licht steht für das reine Sein, die schöpferische Potentialität, die sich noch nicht in die Vielheit aufgefächert hat, in ihr sind alle Möglichkeiten noch vereint. Und damit ist schon alles gesagt. Wir, in der Welt, stehen auf der Seite der Buntheit, nach der prismatischen Brechung. Die Vielfalt und Verschiedenheit der Welt wird hier aus einer gemeinsamen Quelle stammend ersichtlich. Jede Farbe, jedes Phänomen der Welt ist ein Aspekt der Totaliät des Weißen.
Das Weiße ist aber für uns das Nichts. Genauso wie das Schwarze allein nichts ist. Nichts, Nirwana, meint hier nur wie das Weiße das Ununterschiedene. Alles, was für uns wahrzunehmen ist, ist nur im Kontrast und als gesonderter Aspekt des Ganzen etwas. Somit ist jedes Einzelne ohne das zugrundeliegende Ganze – sprich das Weiße, das im Kontrast zum (Nicht-Weiß) Schwarzen steht – nicht möglich. Und noch mehr. Jede Farbe, die durch die Brechung entsteht, bleibt konstant mit dem Weiß, das ihr Ursprung ist, verbunden. Es ist im Sinne des Erscheinens von den anderen Farben, den anderen Frequenzen und Möglichkeiten getrennt. Aber, und das ist jetzt sehr wichtig zu sehen, keine Aspekt, keine sich realisierende Möglichkeit der Ganzheit, ist in seinem Erscheinen von dieser Quelle getrennt. Es erscheint nur als separates Ereignis, als rot, als blau, als grün usw. Das Rote ist das Strahlen des Weißen reduziert auf die Frequenz rot.
Das Prisma aber, wofür steht es in der Metapher? Wenn das weiße Licht für den schöpferischen Willen des Absoluten, des Göttlichen, steht, so steht das Prisma für die Entscheidung dieses Willens zu Etwas. Es wird ein Ur-teil getroffen, der selbstbewußte Wille ent-scheidet sich in Vielheit aufzu-teilen um Erscheinung der Unterschiedlichkeit zu sein. Denn Erscheinung kann nur in Kontrast und Unterschied sein. Ohne Unterschied ist keine Wahrnehmung. Yin und Yang. Das Göttliche entscheidet sich im Schöpferischsein, um erscheinen zu können, sich selbst zu limitieren und damit die Vollständigkeit auf der Seite des Phänomenseins einzubüßen. Aber wie wir gesehen haben, bleibt jeder Aspekt seiner selbst nicht nur verbunden mit der Ganzheit, sondern die Substanz jeder Verschiedenheit ist dies eine Licht, nur eben gefiltert auf eine bestimmte Frequenz.
Wenn dies gesehen wird, kann sogleich intuitiv verstanden werden, dass egal worauf man schaut man immer auf Aspekte des Göttlichen, auf das Erscheinen Seiner Selbst blickt. Und da man selbst in diesem Sinne nicht anderes ist als eine weitere Frequenz des unbegrenzten weißen Lichts, so blickt in meinem Schauen das Göttliche sich selber an.
Im Hinduismus wird parallel hierzu die Schöpfungsgeschichte genauso erzählt. Brahman, der all-eine und höchste Gott, veräußert sich selbst als die Vielheit der Welt. Er verliert und vergisst sich als und in der Welt, obwohl er geichzeitig das Weiß ist und bleibt, das zeitlos ist. Zeit und Raum beginnen mit der Auftrennung, denn Zeit ist nichts anderes als die Trennung der Gedanken in vorher und nachher. Und Raum ist der trennende Abstand zwischen den Phänomenen.
Im Hinduismus gibt es diese Vielheit der Gottheiten, die verehert werden, denn nach dem Bild des Prismas ist jeder dieser Götter wie eine Farbe im Gewand Brahmans. In jedem der indischen Götter ist Er es immer selber, nur unterschiedlich im Er-scheinen, das sich raum-zeitlich realisiert. Das Licht ist nicht zu sehen, aber im Licht wird alles sichtbar.
An diesem Bild wird auch das zentrale Problem der sogenannten monotheistischen Religion deutlich. Denn bei allen Dreien (Judentum, Christentum und Islam) bleibt Gott außerhalb seiner Schöpfung. Gott schafft gewissermaßen die Welt als ein von Ihm getrenntes Objekt, wodurch Er zum absoluten Subjekt wird. So betet man zum „Vater im Himmel“ mit der Vorstellung eines Anderen, der fern und woanders existiert. Die Welt wird zu einem abgefallenen Ort, zum niederen Ort der geistlosen Materie, der Sünde, des Abfalls und der Gläubige hat alle Hände voll zu tun, um diesem elenden Ort zu entkommen, mit dem Ziel im fernen Himmel der Erlösung aufgenommen zuwerden. Dieser Grunddualismus von Himmel und Erde, Vater und Schöpfung kommt dann wieder im Cartesischen Geist/Materie Dualismus auf und setzt sich endlos in der Geschichte der Philosophie, der Wissenschaft und der Ideologien fort. Solange dieser falschverstandene Dualismus nicht im weißen Licht sythetisiert wird, kommt man nicht aus der Falle des Gut/Böse Urteilens heraus. Und mit bestem Willen und der friedlichsten Absicht, der untranszendierte Dualismus erwirkt zwanghaft die Verfolgung des Bösen im Glauben an ein davon getrenntes Gutes, das es zu verwirklichen gilt.
Auch hier kommt die Quantenphysik zuhilfe, denn sie ist der Beginn einer neuen Sicht auf die Dinge, denn das Problem des Dualismus ist genau der Scheidepunkt. Welle oder Teilchen, das war die Frage, denn im Experiment zeigte sich, dass sich das Licht einmal als Welle und ein anderesmal als Teilchen zeigte. Nun sind aber diese Phänomene unvereinbar, denn etwas, das sich als Welle im Raum ausbreitet und Schwingung ist, hat keinen klar definierbaren Ort, wogegen das Teilchen dadurch definiert ist Position im Raum zu haben. Das ist einfach zu verstehen, nimmt man ein Beispiel aus der Erfahrung. Wir haben einen Raum, sagen wir ein Wohnzimmer. Darin liegt auf dem Tisch ein Apfel. Mit Hilfe von Raumkoordinaten kann man exakt angeben, wo der Apfel sich befindet. Anders aber die Welle, die sich als Musik im Raum ausbreitet. Wo ist der Klang, der aus der Anlage als Musik hörbar ist. Er erfüllt den ganzen Raum, er ist nicht zu lokalisieren und vernimmt sich im Unendlichen. Dehalb kann man jemandem sagen wo er den Apfel finden kann, wogegen man nicht sagen kann wo der Klang genau ist.
Licht ist, wie die Quantenphysik erkennen musste, sowohl Welle aus auch Teilchen, je nachdem, wie danach gefragt wird. Wie sich Licht als Phänomen verhält liegt also daran, wie es beobachtet wird… Wer dies im Experiment sich verdeutlichen will, sollte sich mit dem Doppelspaltversuch beschäftigen. Dieser Versuch ist für das Verständnis der neuen Physik zentral und auch für den Laien gut nachzuvollziehen.
Es handelt sich demnach bei der Dualität der Erscheinungen nicht um ein Entweder-Oder sonder um ein Sowohl-Als-Auch. Und das ist für unseren Verstand nicht fassbar, denn er kann nur in Kategorien der Unterscheidung denken. Der Verstand, unser Denken, ist seiner Natur nach dualistisch. Wir können das Zeitlose und Zeitliche nicht als das Gleiche denken. Wir sehen in den Erscheinungen nicht das weiße Licht, obwohl alles dieses das Nichts des Weißen ist.
Man könnte auch polemisch sagen: durch die Selbstbrechung tut das Nichts (no-thing) so, als sei es Etwas (thing).