Philosophische Astrologie

Vom Wahrsagen läßt sichs wohl leben in der Welt,
aber nicht vom Wahrheit sagen. (G. Chr. Lichtenberg)

Wir leben in einer Zeit, in der es die Astrologie mehr als schwer hat. Verlacht, verunglimpft, als Scharlatanerie und Aberglaube von den vermeintlich Gebildeten abgetan, kann man sich als Astrologe in kaum einem Kreis vorstellen, ohne dass man augenblicklich jeglichen Stand ernstgenommen zu sein verspielt hat. Die Wenigsten haben den Mut mit echtem Interesse und Offenheit nachzufragen. Natürlich gibt es auch die naiven Andersgläubigen der Esoterik, die aber allgemein eher belächelt werden.

Heute ist das wissenschaftliche Dogma so total geworden, dass es den meisten Menschen schon gar nicht mehr bewußt ist. Wir sprechen aus einer Position der Überlegenheit über den Aberglauben der Alten und merken nicht, wie sehr der neue Aberglaube der Wissenschaftlichkeit als ausschließliche Grundüberzeugung in alle Lebensbereiche eingedrungen ist und diese definiert. Andere Erklärungsmodelle und Deutungen der Wirklichkeit werden von vornherein ausgeschlossent. Das wissenschaftliche Dogma ist in der schwersten Krise, wird aber von seinen Vertretern blind und polemisch verteidigt.

Nun ist es in der Tat gar nicht so einfach einem womöglich universitär gebildetem Zeitgenossen verständlich zu machen, warum man das Mittel Astrologie für wertvoll erachten kann. Das liegt in erster Linie an der aufklärerischen Grundüberzeugung, alle Zusammenhänge des Daseins seien ausschließlich kausaler Art, alles stünde also im zeitlichen Nacheinander von Ursache und Wirkung. Würde man also alle Wirkzusammenhänge kennen und berechnen, so wäre die Welt komplett erklärbar und in Wissen überführt. Aber, um einen ersten Schritt zu wagen: Was wäre, wenn Ereignisse nicht allein kausal, also nach dem Newtonschen Prinzip des Hebelgesetzes stattfänden, sondern sich auch in einem sinnvollen, d.h. sinngegebenen Zusammenhang fügten?

Der wissenschaftliche Kausalitätsbegriff überläßt prinzipiell nichts dem Zufall, hat aber kurioserweise den Zufall als unverzichtbaren Faktor, z.B. zur Erklärung der Evolutionstheorie, im ständigen Gebrauch.

Wenn also z.B. eine Blüte und ein Vogel passgenau sich in Form und Funktion ergänzen, wenn es weder die Blüte noch den Vogel alleine geben kann, so ist die gleichzeitige Entstehung einer solchen Symbiose vollkommen unglaublich, geht man vom Mutationszufall der Gene aus. Hält man allerdings für möglich, dass diese beiden Daseinsformen nur gemeinsam verstanden werden können, sich also in einer Seinseinheit bilden, und so auch nur gemeinsam auftreten können, dass Vogel und Blüte also eine gemeinsame Sinngestalt darstellen, so muß man die Enge der Kausalität zugunsten eine akausalen Wirkkraft der Sinngebung oder Formgebung aufgeben. C.G. Jung hat jedenfalls die Psychologie in diese Richtung fruchtbar erweitert.
Jeder Ansatz geistiger Art, der geheimnisvoll, ungreifbar, akausal, ideell oder wie auch immer genannt werden kann, befindet sich längst auf verlorenem Posten. Man ist sich sicher, all dies Magisch-Mythische überwunden zu haben – wir sind jetzt die Herrn der Welt geworden! Wer anderes glaubt wird eben als esoterischer Spinner belächelt. Selbst die gängige Philosophie hat sich als Analytische dem rationalistischen Dogma unterworfen.

Das Denken mit der Astrologie hat einen völlig anderen Ansatz, wobei man die Möglichkeit der kausalen Hinsicht überhaupt nicht bestreiten muß. Natürlich kann ich berechnen wie der Stein, den ich fallen lasse, auf die Erde fällt. Aber es kann naturwissenschaftlich z.B. nicht „berechnet“ werden warum der Stein fallengelassen wird.

Die Fragen der Astrologie sind keine funktionalen Fragen nach dem Wie. Ihr Interesse liegt auf der Bedeutsamkeit, dem Sinn, dem Warum. Und es fällt sofort auf, das die Naturwissenschaft mit dieser Art des Fragens überhaupt nichts anfangen kann, denn Bedeutsamkeit und Sinn kann man nicht messen. Aber ist die Welt tatsächlich so geistlos, dass sie nichts als die Summe aller Meßbarkeiten ist. Ist sie nur Apparat und Funktion ohne Geist und Sinn? Wie kann man etwas bestreiten, nur weil kein Instrument verfügbar ist dies zu überprüfen? Es wäre so, als würde der Blinde behaupten, alles Sehen sei bloße Einbildung. Die Wissenschaft, die alles Nichtmessbare und Nichtdingliche ausschließt, weil darüber nicht technisch verfügt werden kann, führt daher zu einem materialistisch-mechanistischen Weltbild, in dem für den Menschen das reine Überleben durch funktionale Kontrolle die oberste und einzige Priorität darstellt. Man braucht sich daher nicht zu wundern wie die moderne Welt zusehends durch Ökonomie und ausbeuterische Brutalität beherrscht ist. Empfindungen und Natürlichkeit, diese tiefste Äußerungen alles Lebendigen, sind nur lästig im Maschinenpark der Effizienz, sie müssen verdrängt und abgestumpft werden. Was bleibt ist Sentimentalität und Moral, um die Herde für die Ertragssteigerung steuerbar zu machen.

Aber sie sind nicht abzutöten, die uralten Fragen der Menschheit nach ihrem Schicksal, dem Sinn des Geschehens, nach der richtigen Zeit und der Bedeutung des Lebens. Auch die meisten Formen der Psychologie, die sich dem Funktionalismus der Naturwissenschaften unterworfen haben, können hier keine Antwort geben. So spricht Freud vom „Psychischen Apparat“ und verrät damit schon sein mechanistisches Konzept.

Das sogenannte Hermetische Gesetz, das mit der einfachen Formel „Wie oben so unten“ eine tiefe Erfahrung und Weisheit kundtut, ist ein wichtiger Grundstein um die akausale Logik der Analogie zu verstehen. Die aufgeklärte Astrologie, die sich im 20. Jahrhundert entwickelt hat, geht längst nicht mehr von einem Schicksalsdeterminismus aus. Niemand glaubt heute mehr, alles sein minutiös vorherbestimmt und läuft nun – auch wieder – wie eine Uhr ab, nach einem göttlichen Plan.

In diesem deterministisch-fatalistischen Aberglauben hat die Wissenschaft die Astrologie beerbt, ohne dies bemerkt zu haben. In der Astrologie sprechen wir heute von Potentialen, Mustern und Möglichkeiten, ganz so, wie es auch die Quantenphysik tut, die erkannt hat, dass es keine absolute Determiniertheit gibt. In dieser Weise liegt das Horoskop als Möglichkeitsfeld vor, es kann in dieser oder auch anderer Weise realisiert werden, was sich im Raum der Unbestimmtheit bewegt. Jedoch es ist nicht alles jederzeit möglich, denn sonst wäre reine Beliebigkeit und pures Chaos. Nehmen wir einen Apfelbaum. Hier ist die Wahrscheinlichkeit Äpfel hervorzubringen extrem hoch. Aber klar ist, alles was hier geschieht läuft innerhalb der Grenzen der Apfelbaumstruktur ab, Nüsse hervorzubringen ist somit (beinahe) gänzlich ausgeschlossen. Und so beim Menschen. Die Struktur der planetarische Situation bei der Geburt wird nun als Analogie, als ein Gleichnis, genommen, um die inhaltliche Besonderheit innerhalb der Struktur eines Menschenlebens zu widerspiegeln. Es ist also notwendig das Horoskop im Rahmen menschlicher Erfahrung zu deuten – und die sind eben auf das Menschliche begrenzt. Was darüber hinaus geht, das unbewußt Innewohnende, ist im Horoskop nicht erkennbar.

Was meint hier nun Analogie. Eine Analogie ist ein Ähnliches oder Sinnbild und nicht die Sache selbst. Wenn ich z.B. sage: Deine Haut ist wie Seide, dann wird hier das eine durch die Ähnlichkeit mit dem anderen illustriert. Das heißt nicht, dass die Haut aus Seide ist. Und so ist es mit dem Horoskop. Die Kräfteverhältnisse des Sonnensystems gelten als Analogie zu den Kräfteverhältnissen dieses Gebürtlings. Wie oben so unten. Es wird eben nicht, wie rein wissenschaftlich geschulte Geister meinen, behauptet, der Mars oder der Jupiter habe einen Kräfteeinfluß kausaler Natur, z.B. durch Gravitation oder Strahlung und würde also in dieser Weise auf uns wirken. Das mag für den Mond noch in gewisser Weise zutreffen – siehe die Gezeiten – aber für den weit entfernten Uranus bestimmt nur noch in zu vernachlässigender Weise. Die gravitätische Hebamme hat da schon einen größeren Einfluß.

Nun kommt eine knifflige Annahme hinzu, ohne die das Verständnis der Konstellationenanalogie nicht plausibel scheint. Und dies hat mit der Zeit zu tun. Denn die Astrologie versteht die Zeit noch in einer anderen Hinsicht als der einer linearen Uhrenzeit. Die Zeit hat nicht nur eine Quantität, mit der man Abläufe und Distanzen einteilen kann, sie hat darüber hinaus auch einen qualitativen Aspekt: die Zeitqualität. Das ist für den heutigen Menschen zunächst schwierig zu verstehen. Die Zeit ist also nicht nur ein leeres Ablaufen einer Dimension, sondern selbst ein Träger für Qualitäten, die in der Wirklichkeit aufsteigen. Man kann dies mit dem Begriff Schicksalszeit benennen.
So, wie man es auch im Volksmund sagt: die Zeit ist reif geworden, so ist die Zeit selbst der Reigen und Rhythmus der Entwicklung aller Erscheinung. Es ist die Linearität der Zeit für den Astrologen nicht so erheblich wie seine Zirkularität. Alles beginnt frisch und jung, wächst heran und kommt in die Reife, wird schließlich alt und stirbt irgendwann ab. Das Horoskop bebildert die Grundordung, die in allen Phänomenen stattfindet. Dies kann als zeitliche Ordnung verstanden werden, alles hat z.B. einen Beginn, im Zeichen Widder, eine Zeit des Wachsens, die unter Jupiter steht, oder eine Zeit der Auflösung im Zeichen des Neptun etc. Dieser Kreislauf des Lebens gilt für alle Daseinsformen, egal ob belebt oder unbelebt. Wobei, nebenbei gesprochen, diese Unterscheidung seit Decartes nur eine Denkkonvention ist. Schauen wir auf die subatomare Ebene, so gibt es diesen Unterschied nicht, – alles ist Bewegung, Vibration, Prozess- alles ist lebendig.
Was die Zeit geschlagen hat, ob sie geeignet ist für mein Vorhaben, warum etwas geschieht, das man einfach nicht verstehen will, warum gewisse Dinge sich nicht fügen wollen, dies und vieles mehr kann mit Hilfe der Planetenstruktur erforscht werden.

Da wir es bei der Astrologie, wie gesagt, mit Analogien zu tun haben, sollte man keine Eindeutigkeit der Aussagen erwarten, sondern, wenn man Glück hat, erkennt man ein schlüssiges Bild, das die Frage so versinnbildlicht, dass der Sinn im Analogieschluss aufgeht. Das Verständnis ist mehr bildhaft als rational. Die Struktur des Horoskops ist abstrakt und die Bilder und Analogien reifen in ihrer Vielfalt aus der Erfahrung der Tradition, aber auch aus der Erfahrung und Einsicht des Deutenden. So wie sein oder auch ihr Verständnis das Menschheitliche versteht und zu deuten gelernt hat, dementsprechend ist das vermittelnde Wort reif, sinnvoll und orientierend. Wesentlich ist dabei wie der Gast zum gedeuteten Bild in Resonanz tritt. Man erspürt die Stimmigkeit der Analogie, die einen tief bewegen kann. Dann verläßt man den Bereich der Spekulation und Theorie und tritt in den Raum der Erfahrung.

So wird etwas Wunderbares erlebbar: Die Schöpfung ist kein geistlos blind ablaufender Mechanismus, der zufällig auf diesem Planeten Leben und dann Menschen hervorbrachte. Das gesamte Universum ist wesentlich geistiger Natur, sinnvoll und von höchster Intelligenz – und durch und durch lebendig! Nur so ist zu verstehen, dass Intelligenz sich in der Evolution entfalten kann. Geist entsteht nicht unerklärlicherweise und zufällig in der Evolution aus Materie, er ist vielmehr in allen Formen die Äußerung kosmischer Intelligenz. Oder wenn man es etwas altmodisch haben will: der Kosmos ist die Aktivität göttlichen Bewußtseins -in allem liegt diese sinnschaffende Bewegung des Wandels. Das Universum ist nicht kalt und leer, es ist, richtig verstanden, der Ort tiefster Geborgenheit und Identität des schöpferischen Selbst – deines Selbst und Seins. Tat vam asi – wie es im Indischen heißt: das (Ganze) bist Du.