Die Einheit von Ich und Welt im Horoskop

Die Getrenntheit des Individuums von seiner Mitwelt, die grundlegende Differenz zwischen außen und innen, ist das Hauptthema der großen spirituellen Traditionen. Im Kern finden wir hier in allen Zeugnissen die Aussage, diese Trennung sei die primäre Illusion des menschlichen Bewußtseins und die Ursache all seiner psychischen und damit auch realen Probleme.

So findet man in der Bibel die Geschichte des Sündenfalls, des Abfalls des Menschen aus der Einheit mit der Natur, wodurch er seither sein Dasein in der Ungeborgenheit einer feindlichen Welt fristet.
Im Buddhismus und Hinduismus hören wir von Maya, dem Schleier der Illusion, wodurch der Mensch sich von der Welt getrennt erfährt. Wir hören von der Dualität, der Entzweitheit im zeitlichen Dasein, die eine menschliche Fehldeutung der Wirklichkeit sein soll.
Im Schamanismus und Animismus der Naturreligionen gilt es die Erfahrung zu machen, sich nicht nur mit Tieren und Pflanzen verbunden zu fühlen, sondern in der spirituellen Tiefenerfahrung die Natur in ihrer Vielfalt selbst zu sein.
Und schießlich sieht man auch in der neueren Physik experimentell deutlich, dass der Beobachter, z.B. durch den Versuchsaufbau, und der gemessene Effekt, das erscheinende Phänomen, grundsätzlich nicht voneinander zu trennen sind.

Diese Frage, wie die Einheit des Seins und die Erfahrung scheinbaren Getrenntseins zusammenzubringen ist, kann man als die wichtigste Aufgabe des Menschseins verstehen.

Was kann uns die Astrologie dazu sagen?

Die Astrologie geht von der Einheit ganz grundsätzlich aus. Das Horoskop ist in der äußeren Form ein Kreis, dem Symbol der Ganzheit. Darin finden wir die erste Hauptteilung in der Horizontalen, die Teilung von Himmel und Erde, oben und unten. Wie in vielen Schöpfungsgeschichten ist dies der erste Akt, ohne den es keine weitere Differenzierung innerhalb der Ganzheit geben kann. Wie bei der embryonalen Eizelle ist der Beginn der Entwicklung die erste Zellteilung.

Tierkreis mit Aszendentlinie (Horizont)

Wir haben also im Horoskop nicht nur die Qualitäten der Person, sondern hier wird deutlich, dass das Personenhafte in seiner Art unabhängig vom „Himmel“, vom Begegnenden, von der Bewegung der Welt gar nicht vorkommen kann. Alles, was Erfahrung von Menschsein und Selbstsein ausmacht, steht immer in Beziehung zu dem, was nicht das Selbst und Eigen ist. So sind Frauen nur, weil es auch Männer gibt, man ist groß, weil es auch kleine Menschen gibt, lustig, da es auch mürrische Zeitgenossen gibt und so fort. Es gibt keine „Eigen“-schaft, die nicht durch eine Aussensituation kontrastiert und mitbestimmt wird.

Das bedeutet, dass wir im Horoskop eigentlich nur einen spezifischen Standort, einen Ort spezifischer Perspektive beschreiben. Denn das, was sich in innen und außen differenziert, ist prinzipiell untrennbar eins. Wie beim Karton gibt es keine Innen- ohne eine Außenseite. Die Welt ist so für den Wahrnehmenden immer die andere Hälfte, der unabdingbar zugehörige Gegenpol im Ganzen, so, wie es keinen Südpol ohne Nordpol geben kann.

Wir identifizieren uns aber mit dem eigenen Standort, als wäre dieser beliebig und unabhängig von allem Übrigen. Dieser Standort ist aber bereits mit allem anderen entstanden. Eigentlich erzeugt mich die Welt in gleicher Weise, wie ich die Welt meiner Wahnehmung erzeuge, auch wenn dies nicht auf bewußter Ebene geschieht.

Das Horoskopbild entspricht in diesem Sinne dem vielleicht ältesten aller Menschheitssymbole, dem Yin und Yang. In der Einheit des Kreises zeigt sich die Ur-teilung in schwarz und weiß, was die Voraussetzung ist, um Vielfalt in Erscheinung zu bringen. Jeder Fotograf weiß, dass ohne das Zusammenspiel von Hell und Dunkel kein Bild sichtbar wird. Alle Farben sind Nuancen zwischen schwarz und weiß.

Unser Problem ist allein die Vorstellung, wir wären getrennte Einzelwesen. Wir verstehen nicht, dass immer eine untrennbare wechselseitige Abhängigkeit besteht, und es deshalb kein Autonomes, kein abgetrennt, für sich Seiendes, geben kann. Nichts besteht für sich allein. Dies meint mehr als ein Gefühl von Verbundenheit, es ist das grundlegende Prinzip dessen, was wir Realität nennen. Die Realität des Einzelnen ist nur, weil alles andere mitexistiert. Mich gibt es nur, weil es auch das Du gibt.

Also gehört die Welt, die einem begegnet, genauso ins Gesamtbild des Horoskops, wie die Anlagen der Person, oder wie zwei Puzzelsteine, die zusammengehören und nur künstlich, d.h. ideell in der Vorstellung (für das Spiel) getrennt sind. Zusammen ergeben sie erst ein Ganzes – eine Gestalt (im Sinne der Gestaltpsychologie).

Das hat für die astrologische Deutung erhebliche Konsequenzen. Es ist eben kein Zufall, wem ich wann begegne, wann mir und was widerfährt. Dieses Zusammenkommen von außen und innen ist wechselseitig bedingt. Aber normalerweise sehen wir dies nicht, sondern meinen, die Welt als objektiven Gegenstand, als das, was mir entgegensteht, nach Wunsch und Können einrichten zu können. Die irrige Überzeugung von allem getrennt zu sein, ist die Ursache aller Ver-zwei-flung. Ich wiederhole diesen Gedanken absichtlich, da alle unsere Erfahrungen dem zu widersprechen scheinen. Solange der Glaube an diese Illusion festgehalten wird, bestätigt er sich fortlaufend. Beginnt man aber den Gedanken der Einheit und Ungetrenntheit zu kultivieren, so verändern sich auch das Erleben von Welt und Wahrnehmung.
C.G. Jung nannte eine erste Erfahrung dessen Synchronizität. Damit hat Jung ein Bewußtwerden von Ereignissen gemeint, die ohne Kausalverbindung gleichzeitig den gleichen Bedeutungsinhalt als Symbol aufweisen. Er gelangte zur Auffassung, dass die Welt das eigentlich Unbewußte ist, das mir vor Augen bringt, was in meiner Person-Identifizierung abgetrennt wurde.

J. Krishnamurti

Das Horoskop beschreibt gewissermaßen den Traum, den wir leben. Wie des Nachts, wenn wir eintauchen in unsere Imaginationen, teilen wir uns in Subjekt des Erlebens und Objekt der erfahrenen Traumwelt. Wir versinken in einer inneren Getrenntheit unserer Selbst und vergessen dabei nur Träumende zu sein. Wenn wir erwachen wird schlagartig klar, dass es weder das Traum-Ich noch die Traum-Welt gegeben hat, auch wenn dies alles sehr real erschien. Die duale Realität des Tagesbewußtsein ist letztlich, auf einer höheren Ebene, in gleicher Weise „konstruiert“.

Das tiefste Ich-bin, das Selbst, das nicht enthälftet ist, ist die Ganzheit des Horoskops. Es ist vollständig und eins und schaut sich durch den Standort der Person selber an. Das meint im Indischen das berühmte „Tat Vam Asi“ – das (Ganze) bist du.